Experten sprechen von einem Betrugsskandal. Apotheker sehen sich als Opfer der Rabattverträge und suchen die Schuld bei den Krankenkassen. Tausende Medikamente seien falsch abgerechnet worden, meldete die AOK. “Die AOK prüft derzeit die Vorfälle und wird entsprechend die zuständigen Staatsanwaltschaften einschalten”, sagte ein Sprecher des AOK-Bundesverbandes. Nach Angaben der AOK sind allein im Juni mehr als 30.000 Fälle bekannt geworden, in denen Rezepte mit einem derzeit nicht am Markt befindlichen anderen Medikament bedruckt und abgerechnet wurden.
Offenbar könnten 30.000 Fälle erst der Anfang sein. “Bei den bekannt gewordenen Fällen handelt es sich möglicherweise um die Spitze eines Eisberges”, sagte der AOK-Sprecher. “Derart falsch abgerechnete Arzneimittel fallen leider im Normalfall nicht auf. Der Stein ist jetzt nur deshalb ins Rollen gekommen, weil das aufgedruckte Medikament nachweislich noch nie am Markt verfügbar war, der Hersteller aber trotzdem Rechnungen für den gesetzlich festgelegten Großhandelsrabatt erhalten hat.” Bei den Fällen aus dem Juni handelt es sich nach Angaben der AOK um den Blutdruck senkenden Wirkstoff Metoprolol.
Der Deutsche Apothekerverband wirft der AOK indes vor, dass der AOK-Bundesverband „wider besseren Wissens die Öffentlichkeit verunsichert“. In einer Stellungnahme der Apotheker heißt es: „Die AOK unterlässt es dabei sicherheitshalber erneut, das eigentliche Problem beim Namen zu nennen – die Rabattverträge. Denn seit Inkrafttreten der jüngsten Rabattverträge waren und/oder sind immer noch einige Hersteller, die von der AOK mit Zuschlägen beglückt wurden, nicht lieferfähig. Das heißt faktisch: Die Apotheke ist verpflichtet, ein Medikament abzugeben, das nicht existiert!“
Apotheken mussten dennoch tausende Versicherte in dieser Lage versorgen. Das wollen die Apotheken getan haben, indem sie wirkstoffgleiche Arzneimittel gesucht, abgegeben und damit den Patienten versorgt haben. DAV-Vorsitzender Fritz Becker: „Richtig ist, dass wir solche Fälle mit den Krankenkassen klären müssen. Wenn fehlerhaft dokumentiert wird, muss das korrigiert und klargestellt werden. Das ist bereits in Gesprächen zwischen AOK und DAV, aber auch durch Mitteilungen der Apothekerverbände und auch durch den Einsatz der Apothekenrechenzentren längst geklärt. Es ist und bleibt dennoch grotesk, wenn die AOK Verträge mit Herstellern abschließt, die nicht eine einzige Packung liefern können – und am Ende die Apotheken für die Folgen verantwortlich gemacht werden.“