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EGMR entscheidet: Kein Freibrief für Pflegefälle

Wenn der Steuerzahler Geld sparen kann, müssen Pflegebedürftige unter Umständen auf Luxus verzichten und Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen: Zu diesem Urteil kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor wenigen Tagen (Az. 4241/12). Das Urteil könnte wegweisend sein für die Rechtsprechung der Sozialgerichte in Deutschland.

EGMR entscheidet: Kein Freibrief für Pflegefälle

EGMR entscheidet: Kein Freibrief für Pflegefälle

Geklagt hatte eine 70 Jahre alte Britin, die in der Nacht eine Pflegekraft zur Hilfe beim Toilettengang benötigt. Der Europäische Gerichtshof entschied nun, dass die Verwendung von Inkontinenzkissen in der Nacht durchaus zumutbar ist, um dadurch die Kosten für eine Pflegekraft zu sparen. Im Ergebnis bedeutet das Urteil, dass die Staaten den Pflegebedürftigen durchaus Unannehmlichkeiten abverlangen dürfen, wenn dadurch Kosten für die Steuerzahler gespart werden.

Die Klägerin ist mobilitätseingeschränkt und kann nicht allein zur Toilette gehen oder einen Toilettensitz nutzen. Bis zum Jahr 2008 hatte sie die Unterstützung eines Pflegers in Anspruch genommen, der sie auch in der Nacht betreute. Diese Leistung wurde im Jahr 2008 und im Jahr 2011 erneut widerrufen, vielmehr stellten ihr die Sozialbehörden in Großbritannien ein Inkontinenzkissen zur Verfügung. In Großbritannien war die Klage bereits abgewiesen worden, deshalb schaltete die Klägerin nun den Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht ein.

Dieser legt fest, dass die Klägerin im ersten Jahr eine Entschädigung von 1.000 Euro bekommen sollte. Zunächst stand nämlich der Widerruf der Leistung nicht im Einklang mit dem britischen Recht. Doch zukünftig muss die Klägerin die Weisung der Sozialbehörde akzeptieren. Als Begründung führten die Richter in Straßburg an, dass die finanziellen Mittel für soziale Leistungen begrenzt seien und auf die absolute Notwendigkeit beschränkt seien. Deshalb sei es akzeptabel, dass die wirtschaftlichen Interessen der Staaten und der Gesellschaft über der individuellen Situation der Klägerin anzusiedeln seien. Interessant dürfte sein, wie weit die europäischen Staaten dieses Urteil als wegweisend für ihre eigene Sozialrechtsprechung ansehen.

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