Mit dem Herbst steht auch die Erkältungssaison vor der Tür: Zwei- bis viermal im Jahr erkranken Erwachsene an einer Erkältung. Insgesamt drei Jahre seines Lebens verbringt der Mensch mit Husten, Schnupfen und Heiserkeit. Der Medizinjournalist Sven-David Müller erklärt im Interview, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist und dass es rund um das Thema Erkältung einige Mythen gibt. Von Dorothea Wurmbrand-Stuppach
Herr Müller, Sie haben ein aktuelles Buch geschrieben mit dem Titel „Die 50 besten Erkältungs-Killer“. Verraten Sie uns den Erkältungs-Killer Nummer eins?
Eine gute Ernährungsweise mit vielen Erkältungskillern.
Nach welchen Kriterien wurden die 50 Erkältungs-Killer ausgesucht?
Sie wurden nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt. Welche Nahrungsinhaltsstoffe und Verhaltensmaßnahmen haben eine Bedeutung? Zu welchen Themen gibt es internationale, seriöse Studien? Was ist wissenschaftlich abgesichert und was nicht?
War es schwierig, die Wirkung bestimmter Nahrungsmittel, Mineralstoffe, Vitamine oder Pflanzen zu bewerten bzw. gibt es widersprüchliche Forschungsergebnisse?
Nein, es gibt eigentlich keine widersprüchlichen Forschungsergebnisse in der internationalen Fachliteratur und den Leitlinien. Die Europäischen EFSA hat für Nahrungsinhaltsstoffe ganz klare Kriterien und Aussagen. Meta-Analysen gibt es viele – man muss es halt lesen und verstehen. Und man darf nicht nur seine Produkte verkaufen wollen. Ich möchte mein Buch verkaufen und die Leute informieren.
Rund um Erkältungskrankheiten gibt es dabei doch eigentlich zahlreiche Mythen?
Ja, viele – weil wir zwei bis viermal im Jahr eine Erkältung haben. Schon der Name „Erkältung“ ist falsch. Denn der grippale Infekt kommt nicht durch Kälte, sondern wird durch Viren verursacht. Und dagegen können Antibiotika, die der Arzt oft verschreibt, niemals helfen. Aber die Darmflora geht kaputt und jene könnte eigentlich vor der Infektion schützen. Die Mythen machen uns krank!
So schreiben Sie in ihrem Buch auch, dass heißer Tee mit Zitrone überschätzt wird. Warum hat der Klassiker kaum eine Wirkung?
Der Saft einer Zitrone enthält gerade mal 15 bis 20 Milligramm bei einem empfohlenen Tagesbedarf von 100 Milligramm. In der Zitrone steckt nicht viel Vitamin C und das geht durch Sauerstoffeinwirkung beim Pressen teilweise kaputt. Der Rest geht dadurch den Bach herunter, weil es in heißen Tee kommt. Denn Ascorbinsäure ist außerordentlich hitzeempfindlich. Dann ist nichts mehr mit Immunkraftförderung.
Es gibt Studien, wonach Vitamin C einer Erkältung nicht vorbeugen kann, sofern kein Mangel besteht. Was denken Sie darüber?
Es ist wissenschaftlich eindeutig gesichert, dass Vitamin C die normale Abwehrkraft erhalten kann. Eine Erkältung lässt sich durch Vitamin C nicht heilen. Es ist Bestandteil eines Anti-Erkältungsprogramms – aber dafür braucht es mehr als Vitamin C.
Empfehlen Sie dabei Vitaminpräparate oder Nahrungsergänzungsmittel?
Ich bin immer für Lebensmittel. Es gibt so viele natürliche Konzentrate (Sanddornsaft, Hafebuttenmark), die Vitamin C und andere Dinge liefern. Ich würde beim ersten Kribbeln Sanddornsaft trinken. Das ist besser als 1 Gramm Vitamin C in der Kapsel.
Wie wichtig ist eine ausgewogene Ernährung für das Immunsystem?
Eine ausgewogene Ernährung ist das A und O. Ohne eine gesunde Ernährungsweise werden wir nicht nur dick, sondern auch krank. Wir tun Fehl- und Überernährung oftmals ab und sagen: „Da gibt es bestimmt eine Pille vom Arzt“. Wir essen uns krank. Aber man kann sich auch mit hochwertigen Lebensmitteln gesund essen. Wir brauchen gute Kost.
Welche Rolle spielen Mineralstoffe und Spurenelemente?
Ohne Mengen- und Spurenelemente hätten wir kein Immunsystem. Es gibt eine Vielzahl von guten Studien beispielsweise für Zink und Selen. Es gibt übrigens keine, die zeigt, dass die Kombination aus Vitamin C und Zink etwas bringt. Aber die Substanzen müssen das ganze Jahr ausreichend aufgenommen werden und nicht erst, wenn das erste Kribbeln im Hals ist.
Händedesinfektion – Ärzte raten immer wieder, sich die Hände mehrmals am Tag zu waschen. Ist das auch Ihrer Ansicht nach eine wichtige Präventionsmaßnahme?
In der Erkältungszeit sollte man nießenden Menschen aus dem Wege gehen und nicht jedem die Hand geben – das meine ich ernst. Zudem sollte man sich praktisch ständig die Hände waschen. Das ist wichtig und beugt der Erkältung vor.
Was denken Sie über das Abhärten mit Wechselduschen oder Saunagängen?
Grundsätzlich ist es wichtig, nicht nur gesund zu essen und zu trinken. Die Sauna ist wissenschaftlich als Erkältungskiller anerkannt. Aber wenn man erkältet ist, sollte man nicht in die Sauna gehen. Das ist zu viel Stress für den Körper. Kalte Duschen können eine Wohltat sein. Aber bitte nicht, wenn Sie erkältet sind.
Sie schreiben auch Ratgeber zum Thema Ernährung und Diät. Was hat Sie dazu veranlasst, sich dem Thema Erkältung zu widmen?
Ganz einfach: Ich bin im Alter von 7 Jahren an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt und konnte – oder musste – feststellen, welche Bedeutung die Ernährung auf die Gesundheit hat. Das hat mich bis heute gefesselt. Ich habe mehr als 50 Bücher darüber geschrieben, die in 11 Sprachen übersetzt worden sind. Mehr als 5,5 Millionen Bücher von mir sind in Europa im Buchregel und haben hoffentlich schon vielen Menschen geholfen, besser und gesünder zu essen. Damit kann man Krankheiten vorbeugen, lindern oder sogar heilen.
Über Sven-David Müller
Sven-David Müller ist Medizinjournalist, Diätexperte und Ernährungsexperte. Er hat Angewandte Ernährungsmedizin studiert und den akademischen Grad Master of Science (M.Sc.) erlangt. Er ist staatlich anerkannter Diätassistent, hat sich an der Universitätsklinik Jena zum Diabetesberater DDG fortgebildet und eine Redaktionsausbildung in einem medizinischen Fachverlag absolviert. Er ist Träger des Verdienstkreuz am Band des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.