In einer aktuellen Studie der Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Mainz gelang es, den sogenannten „Nocebo-Effekt“ auf das Schmerzempfinden nachzuweisen. Bislang wurde dieser Effekt von vielen für pure Einbildung gehalten, während sich der Placebo-Effekt schon in etlichen Studien bestätigt hat.
Der gleiche Mechanismus liegt dem Nocebo-Effekt zugrunde, jedoch mit der gegenteiligen Auswirkung. Allein schon die Warnung vor Nebenwirkungen eines Medikaments kann diese hervorrufen – selbst bei einem Scheinmedikament. Die Erwartungshaltung spielt hierbei eine maßgebliche Rolle, sowohl bei angenommenen positiven und gesundheitsfördernden Annahmen als auch als auch in Bezug auf erwartete schädliche Auswirkungen. Als Pendant zum Placebo (Nutzen) steht das Nocebo (Schaden) für die Erwartung eines negativen Effekts.
Ein Fall in den USA dokumentiert den Selbstmordversuch eines Mannes, der als Teilnehmer einer medizinischen Studie nach der Einnahme einer Überdosis eines Scheinmedikaments in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus aufgenommen wurde. Erst nach der Aufklärung darüber, dass es sich bei seinem Medikament lediglich um wirkstofffreie Zuckerpillen handelte, besserte sich sein Befinden. Winfried Rief, Psychologie-Professor in Marburg und Sprecher einer Forschungsgruppe, die Nocebo- und Placebo-Effekte untersucht, weiß: „Der Nocebo-Effekt ist keine Einbildung, es handelt sich hier um einen biologischen Prozess. Lern- und Erwartungsprozesse spielen eine große Rolle.“ Diese Beurteilung bestätigte sich auch in der aktuellen Studie der Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Mainz. 38 Probanden wurden in zwei Gruppen eingeteilt.
Beide Gruppen wurden eine Woche lang täglich einem moderaten Hitzeschmerz ausgesetzt. Einer Hälfte der Teilnehmer wurde mitgeteilt, der Schmerz würde täglich zunehmen, die andere Hälfte erhielt diese Auskunft nicht. Die negative Prognose führte in der entsprechenden Gruppe tatsächlich zu einem höheren Schmerzempfinden, das in neurologischen Untersuchungen nachgewiesen wurde. Erfolgsaussichten von Therapien sind demnach beeinflussbar. So können Fehldiagnosen, vertauschte Laborergebnisse oder Aussagen über mögliche Erkrankungen Menschen krankmachen oder Beschwerden verstärken, stellte Rief klar. Fingerspitzengefühl im Umgang mit Patienten ist gefragt, um einerseits keine Ängste zu forcieren, andererseits aber auch Krankheiten nicht zu beschönigen.
(ms)