Wie empfindlich die Verdauungsorgane auf Kindheitstraumen wie sexuellen, körperlichen oder emotionalen Missbrauch reagieren, zeigen nun offenbar die Ergebnisse einer aktuell veröffentlichten Forschungsstudie der University of California. Insbesondere beim weitverbreiteten Reizdarm-Syndrom besteht oft ein Zusammenhang mit extremen psychischen Belastungen in der Kindheit und Jugend.
Wie Studienautor Lin Chang im Fachjournal „Clinical Gastroenterology and Hepatology“ berichtet, erhöhen fehlende Harmonie zwischen Kindern und ihren Eltern oder Erziehern sowie belastende Erlebnisse die Anfälligkeit für funktionelle Darmstörungen. Grundlage der Studie bildete die Befragung von 300 erwachsenen Reizdarm-Patienten und einer Kontrollgruppe im Hinblick auf somatische, psychologische und gastrointestinale Symptome.
Der ursächliche Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und Reizdarm war laut Studienautoren bereits bekannt – nun zeigte die Befragung, dass darüber hinaus auch andere Traumen die Ausbildung eines Reizdarms begünstigen. Auffallend häufig berichteten Patienten mit einem Reizdarm-Leiden von Vernachlässigung und körperlicher Züchtigung. Emotionalem Missbrauch waren insbesondere betroffene Frauen in ihrer Kindheit häufig ausgesetzt. Univ.-Prof. Dr. Harald Vogelsang von der Spezialambulanz für Gastroenterologie und Hepatologie am AKH Wien sieht in der Reizdarm-Symptomatik einen „Ausdruck des Körpers, dass etwas nicht stimmt, wobei auch die Genetik mitspielen kann“.
Ähnliches gilt auch für Blasenschmerzen, Migräne und Rückenbeschwerden. In westlichen Ländern sind bis zu 20 Prozent der Bevölkerung von den Symptomen eines Reizdarms in verschiedenen Schweregraden betroffen. Die meisten klagen über Bauchkrämpfe, Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Übelkeit und Völlegefühl. Die Autoren der US-Studie empfehlen behandelnden Ärzten, nicht ausschließlich stopfende Medikamente oder Durchfallmittel zu verschreiben, sondern auch an eventuelle psychische Grundprobleme zu denken. Oftmals helfen allgemeine Entspannungsmethoden und Hypnose. In einigen Fällen können auch Antidepressiva oder eine Psychotherapie angezeigt sein.
Allerdings gibt es bereits seit längeren von Expertenseite Kritik am Reizdarm-Syndrom. So beschreibt der Medizinjournalist Jörg Blech in seinem Buch die „Krankheitserfinder“ den Reizdarm als erfundene Krankheit. Gesunden Menschen werde demnach eingeredet krank zu sein. Erst mit der Verfügbarkeit einer Arznei erwachte das Interesse der Industrie an der angeblichen Krankheit.